Zur Amtshaftung für Falschberatung der Sozialbehörde

OLG München, Beschluss vom 12.02.2012 – 1 W 2126/11

Keine Amtshaftungsansprüche, wenn der durch Falschberatung der Sozialbehörde Geschädigte sich mit der unzutreffenden Auskunft zufriedengibt von der Behörde keinen rechtsmittelfähigen Bescheid verlangt (Rn. 12).

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 14.09.2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller beantragte Prozesskostenhilfe für eine Amtshaftungsklage im Zusammenhang mit der Nichtgewährung von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 30.06.2006 bis zum 06.12.2010.

2

Der Antragsteller war Eigentümer eines freistehenden Hauses mit Grundstück in W., wobei die Grundstücksgröße 968 qm und die Wohnfläche des Hauses 77,36 qm betrug.

3

Der Antragsteller beantragte erstmals am 22.06.2005 bei der ARGE A. Gewährung von Sozialleistung für sich und seine thailändische Ehefrau. Mit Schreiben vom 26.07.2005 teilte die zuständige Sachbearbeiterin dem Antragsteller mit, dass das Haus nicht unter das sozialleistungsrechtliche geschützte Vermögen gemäß § 12 SGB II falle und Leistung daher nur in Form eines Darlehens für längstens 6 Monate erbracht werden können. Auf entsprechenden Antrag des Antragstellers wurden daraufhin die beantragten Leistungen (monatlich 1.375,– €) bis zum 31.03.2006 bewilligt.

4

Ab diesem Zeitpunkt stellte der Antragsteller zumindest keine schriftlichen Anträge mehr bei der ARGE auf die Gewährung von weiteren Leistungen. Erst am 09.03.2009 wandte sich der Antragsteller an die ARGE und teilte mit, dass er mit Schreiben vom 07.09.2006 der ARGE mitgeteilt habe, dass der Käufer seines Hauses von seiner Kaufabsicht zurückgetreten sei und er ab dem 1. Juni 2006 keine weitere Unterstützung durch die ARGE erhalten habe und auch nicht weiter betreut worden sei. Er erklärte, er könnte die als Darlehen erhaltenen Sozialleistungen nicht weiter zurückzahlen, da die Kreissparkasse A. sein Girokonto gekündigt habe und für sein Haus ein Zwangsversteigerungstermin angekündigt wurde.

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In dem Zwangsversteigerungsverfahren wurde dem Ersteigerer das Haus für einen Zuschlag in Höhe von 101.000,– € erteilt.

6

Anschließend kam es zwischen der ARGE A. und dem Antragsteller zu einem Rechtsstreit über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe zum Lebensunterhalt ab dem 30.06.2006, der am 18.11.2010 mit einem Vergleich vor dem Landessozialgericht endete. Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18.11.2010 wies der Vorsitzende des Senates bzw. der Kammer darauf hin, dass die vom Antragsteller behauptete Auskunft des zuständigen Sachbearbeiters der ARGE, unzutreffend gewesen seien. Der Antragsteller hätte zumindest darauf hingewiesen werden müssen, dass er weiter ein Darlehen hätte erhalten können und im Übrigen hätte das Haus zumindest nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Schonvermögen Berücksichtigung finden müssen.

7

Die ARGE A. verpflichtete sich daraufhin, dem Antragsteller im Vergleichswege für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis einschließlich 23.06.2009 sowie der Ehefrau des Antragstellers, die im September 2008 nach Thailand zurückgekehrt war, bis zum 30.09.2008 die Leistungen nach SGB II zu gewähren. Der von der ARGE bezahlte Betrag belief sich auf ca. 37.000,– €.

8

Mit der beabsichtigten Klage machte der Antragsteller folgende Schadenersatzansprüche geltend. Zum einen behauptet er, dass der Verkehrswert des Hauses bei 200.000,– € gelegen hätte und er durch die Zwangsversteigerung insoweit einen Schaden in Höhe von 100.000,– € erlitten hätte. Des weiteren machte er einen Haushaltsführungsschaden nach Rückkehr seiner Ehefrau nach Thailand geltend. Seine Ehefrau habe den gesamten Haushalt geführt. Schließlich verlangt er wegen der Trennung von seiner Ehefrau für 27 Monate ein Schmerzensgeld in Höhe von je 1.000,– € monatlich.

9

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers mit Beschluss vom 14.09.2011 abgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht an, dass nicht klar ist, worin der Antragsteller genau eine schuldhafte Amtspflichtverletzung eines Mitarbeiters der ARGE des Landkreises A. sehen würde. Des weiteren sei die schuldhafte Pflichtverletzung nicht hinreichend dargetan worden. Weiter führt das Landgericht aus, dass der Antragsteller nicht dargelegt hat und Beweis gestellt hat, inwieweit die vermeintliche Amtspflichtverletzung die von ihm mit der vorliegenden beabsichtigten Klage geltend gemachten Schäden kausal verursacht haben wollen. Des weiteren habe der Antragsteller bei seiner Schadensberechnung nicht hinreichend berücksichtigt, dass durch die Zwangsversteigerung des Hauses er einen Teil seiner Schulden losgeworden sei. Der Haushaltsführungsschaden sei nicht substantiiert dargelegt. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes gäbe es keine hinreichende Grundlage. Im Übrigen sei die Kausalität insoweit nicht dargelegt. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.

II.

10

Die zulässige Beschwerde erwies sich als unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Amtshaftungsklage verneint.

11

Der Senat ist entgegen dem Landgericht der Auffassung, dass der Antragsteller eine Amtspflichtverletzung hinreichend substantiiert dargelegt hat. Aus dem Sachvortrag ergibt sich hinreichend, dass der Antragsteller die Nichtweitergewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 30.06.2006 aufgrund der von ihm dargelegten Auskunft eines Sachbearbeiters für nicht zutreffend und amtspflichtwidrig gehalten hat. Die behauptete Auskunft des Sachbearbeiters war unzutreffend, wie auch der Vorsitzenden des Landessozialgerichts in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, da auch eine Fehlauskunft als eine Antragstellung zu behandeln und entsprechend zu verbescheiden ist. Wie sich weiter aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 15.04.2008 (NJW 2009, 2327) ergibt, hätte das Haus mit hoher Wahrscheinlichkeit als Schonvermögen unberücksichtigt bleiben müssen, da die Wohnfläche unter 91,89 qm lag und eine getrennte Verwertung des Grundstücks aufgrund der Lage des Hauses wohl nicht möglich gewesen wäre. Es kann daher auch im Prozesskostenhilfeverfahren davon ausgegangen werden, dass ein entsprechender Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ab 30.06.2006 genehmigt hätte werden müssen. Insoweit kann objektiv eine Amtspflichtverletzung vorliegen. Sofern eine objektive Amtspflichtverletzung zu bejahen ist, ist es Sache nicht des Antragstellers, sondern der Antragsgegnerin ein mangelndes Verschulden nachzuweisen.

12

Nach Auffassung des Senats scheitern jedoch die Schadensersatzansprüche des Antragstellers an § 839 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Der Antragsteller hat in dem Zeitraum bis zu dem oben zitierten Schreiben aus dem Jahre 2009 keine schriftlichen Anträge gestellt, hat sich mit einer mündlichen Auskunft eines Sachbearbeiters der Antragsgegnerin zufrieden gegeben und hat keinerlei Rechtsmittel dagegen eingelegt. Dem Antragsteller ist somit vorzuwerfen, fahrlässig nicht sämtliche Rechtsschutzmöglichkeiten ausgenutzt zu haben. Es ist ihm vorzuwerfen, dass er ab dem 30.06.2006 nicht auf einen förmlichen Bescheid bestanden hat, und dann nicht von den Rechtsmittelmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat. Wie bereits erwähnt, hätte ihm – die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zugrunde gelegt – mit hoher Wahrscheinlichkeit Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewährt werden müssen.

13

Das Landgericht hat weiterhin zutreffend darauf hingewiesen, dass die Schadensberechnung so nicht nachvollzogen werden kann. Der Antragsteller hätte genau den Verlauf der entsprechenden Kredite darlegen müssen, es fällt auf – wie das Landgericht zu Recht bemerkt hat – dass die Kreditsumme vom 23.08.2006 bis zum 09.10.2006 von 25.000,– € auf 60.000,– € gestiegen ist und schließlich zum Zeitpunkt der Kündigung des Kredites am 07.11.2007 eine Darlehensschuld in Höhe von € 108.153,91 aufgelaufen war. Berücksichtigt man, dass dem Antragsteller allenfalls eine monatliche Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 1.375,– € gewährt worden wäre, ist die Schadensberechnung nicht nachvollziehbar. Insbesondere kann nicht nachvollzogen werden, dass die Kreditkündigungen ausschließlich dadurch veranlasst worden sind, dass der Antragsteller keine Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt. Bei dem Missverhältnis zwischen der Höhe möglicherweise zu Unrecht versagter Hilfe zum Lebensunterhalt und der Darlehensschuld hätte es zumindest einer konkreteren Darlegung bedurft, worauf auch der Antragsteller vom Landgericht hingewiesen worden war. Des weiteren hätte in die Schadensberechnung die Befreiung der Schulden durch den Verkauf des Hauses mit einbezogen werden müssen.

14

Die Haushaltsführung ist völlig unsubstantiiert dargelegt. Im Übrigen ist auch nicht völlig nachvollziehbar, dass die Ehefrau des Klägers nur wegen der Nichtgewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach Thailand zurückgekehrt ist. Im Übrigen hätte es einer genaueren Darlegung des Zuschnitts des Haushalts bedurft.

15

Ein Schmerzensgeld kann bereits deshalb nicht gewährt werden, da keines der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter verletzt worden ist.

16

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat, da der Antragsteller nicht die ihm zumutbaren Rechtsmittel gegen die Vorgehensweise des Landkreises Augsburg erhoben hat (§ 839 Abs. 3 BGB) und im Übrigen der Schaden nicht nachvollziehbar dargelegt worden ist und die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Schmerzensgeld nicht gegeben sind.

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